Spitzenmedizin mit Empathie und Herz

Bereits seit 2010 ist Prof. Dr. Dr. Michael Frühwald Direktor und Chefarzt der damals ersten Klinik für Kinder- und Jugend­me­dizin am Augsburger Klinikum. Als Spezialist für Krebs­er­kran­kungen bei Kindern und Jugend­lichen war er maßgeblich am Aufbau des „Schwä­bi­schen Kinder­krebs­zen­trums“ und der Entwicklung eines Forschungs­kon­zeptes für die Errichtung einer Univer­si­täts­me­dizin in Augsburg beteiligt. Als breit vernetzter inter­na­tio­naler Experte ist Frühwald nicht nur erfah­rener Kinderon­kologe, sondern auch ein exzel­lenter Wissen­schaftler, der die zukünftige Forschung und Lehre in Augsburg entscheidend mitge­staltet. Auch die Eltern­in­itiative krebs­kranker Kinder ist dankbar, in vertrau­ens­vollem Austausch Teil dieser Visionen zu sein. Wir bedanken uns sehr für die Zusam­men­arbeit und freuen uns auf weitere erfolg­reiche, gemeinsame Jahre.

Prof. Dr. Dr. Michael Frühwald leitet die Augsburger Klinik für Kinder- und Jugend­me­dizin bereits seit 2010.

Interview mit Iris Steiner

Warum ist es so besonders, das Schwä­bische Kinder­krebs­zentrum hier an der Uniklinik Augsburg zu haben? Was unter­scheidet dieses Zentrum von der „normalen“ Kinderon­ko­logie einer Uniklinik?

Unsere Kinderon­ko­logie ist eine komplett eigen­ständige eigene Einheit. Das macht sich schon dadurch bemerkbar, dass es ein separates Gebäude ist – und dass wir hier ein angeglie­dertes Kinder­krebs­for­schungs­zentrum haben. Und wir haben u.a. SIE – einen großzü­gigen Verein, mit dem wir in dauer­haftem überaus wohlwol­lendem Austausch stehen.

Was können Unterstützer wie wir tun, was der Kranken­haus­träger nicht tut? Wo können wir Ihnen helfen?

Das ist eine hervor­ra­gende Frage. Es gab vor ungefähr zehn Jahren eine große Umfrage, welche eigentlich notwen­digen Unter­stüt­zungs­maß­nahmen über private Spenden finan­ziert werden. Und dabei kam heraus, dass es da ein riesiges, wichtiges Thema gibt: die psycho­so­ziale Unter­stützung der Familien erkrankter Kinder. Man kann sagen, dass alles, was auf die normale medizi­nische Behandlung „oben drauf“ kommt, nur durch Unter­stüt­zer­vereine möglich gemacht wird. Ohne sie wäre unsere Station sehr arm und sehr trostlos. Wenn Sie dagegen jetzt zu uns kommen, haben Sie in manchen Bereichen den Eindruck, als ob man zu Hause oder in einer schönen Jugend­ein­richtung ist, wo es einen Platz gibt zum Spielen, um Sport zu machen, wo es Mitar­bei­tende des psycho­so­zialen Dienstes gibt, die sich mit den Jugend­lichen zurück­ziehen können, wo Eltern mitein­ander Kaffee trinken können, wo es eine Terrasse gibt, auf der die Eltern abends zusam­men­sitzen, tief durch­atmen oder auch mal mitein­ander heulen können. Das ist manchmal notwendig, weil alle eine sehr harte Zeit durchmachen.

Wie viele kleine Patien­tinnen und Patienten kann man am Schwä­bi­schen Kinder­krebs­zentrum eigentlich gleich­zeitig behandeln?

Wir haben 22 stationäre Plätze, eine große Tages­klinik, in der wir zusätzlich sechs Kinder und Jugend­liche täglich sehen können, und ein großes Ambulanz­zentrum. Vor allem im letzten Jahr sind wir damit zu einer der größten kinderon­ko­lo­gi­schen Einheiten in Deutschland aufge­stiegen. Und das, obwohl es das „Schwä­bische Kinder­krebs­zentrum“ erst seit den 1980er Jahren gibt – auf der Basis der Kinder­klinik, die 1967 eröffnet wurde. In der jetzigen Form gibt es uns eigentlich erst seit 2014, als die neue Kinder­klinik gebaut wurde, das „Schwä­bische Kinder­krebs­zentrum“ eine eigene Struktur bekommen hat und das Kinder­krebs­for­schungs­zentrum dazu kam.

Das „Schwä­bische Kinder­krebs­zentrum“ ist also eine eigene Einheit der medizi­ni­schen, psycho­lo­gi­schen und sonstigen Betreuung von Familien mit ihren Kindern? Und das im Unter­schied zur Erwachsenen-Therapie?

Das kann man so sagen, auf jeden Fall. Ein Kind braucht seine Familie, es hat ganz andere Bedürf­nisse als ein erwach­sener, einwil­li­gungs­fä­higer Patient, der selbst entscheiden kann, welche Behandlung er möchte und welche nicht. Auch die psycho­lo­gische Betreuung sieht ganz anders aus – wenn das Kind etwa einen Vater hat, der seinen Job verliert, weil er mit dem Kind in der Klinik ist, oder eine Mutter, die auch noch Geschwis­ter­kinder betreuen muss. Da entstehen Notfall­si­tua­tionen, wo wir mit dem entspre­chenden Team signi­fikant helfen können: Jemand kommt nach Hause, medizi­nische Betreuung durch Pflege­kräfte, Ärztinnen und Ärzte kann vor Ort geschehen. Dann gibt es noch unser psycho­so­ziales Team aus Psycho­lo­ginnen, Sozial­ar­bei­te­rinnen, Spiel- und Musik­the­ra­peu­tinnen und ‑thera­peuten. Und wir können auch sozial­recht­liche Beratung anbieten – und zum Beispiel mit dem Arbeit­geber des von Kündigung bedrohten Vaters reden. Oder Mitar­bei­tende aus der Psycho­logie und Sozial­ar­bei­te­rinnen und Sozial­ar­beiter in die Schule der Geschwis­ter­kinder schicken, die das Umfeld über die schwierige Situation der betrof­fenen Familie geschult unterrichten.

Wie ist die Prognose für onkolo­gische Neuerkran­kungen bei Kindern heute? Was hat sich in der Behandlung getan?

Vieles. Wir haben viele Patienten, die heute nicht mehr an der Erkrankung versterben, weil es unter anderem neue, stabi­li­sie­rende Medika­mente gibt. Dazu gibt es sogenannte zelluläre Immun­the­rapien, die das Immun­system befähigen, sich gegen den Krebs zu wehren. Es gibt Antikör­per­the­rapien und moderne Strah­len­the­rapie-Techniken, die weniger Neben­wir­kungen haben.

Wie lange arbeiten Sie schon mit der Eltern­in­itiative krebs­kranker Kinder zusammen?

Ich durfte bereits als leitender Oberarzt in Münster erfahren, wie wichtig lokale Eltern­vereine sind. Deswegen habe ich mich schon bevor ich nach Augsburg kam infor­miert, was es da für ein Umfeld gibt, und war sehr glücklich, als damals meine Oberärztin auf der kinderon­ko­lo­gi­schen Station mich in diese Kreise einge­führt hat. Ich hatte innerhalb weniger Wochen nach meinem Arbeits­an­tritt hier in Augsburg am 1. Juni 2010 bereits die ersten Kontakte.

Welche Bedeutung hat die Arbeit der Eltern­in­itiative jetzt für ihre Arbeit im Speziellen?

Da gibt es viele Ansatz­punkte. Ein wichtiger, den ich vorab betonen möchte, ist die unkom­pli­zierte Zusam­men­arbeit. In der Regel genügt in einer Notla­gen­si­tuation eine kurze Kontakt­auf­nahme, eine E‑Mail oder ein Anruf beim Geschäfts­führer Herrn Kleist oder direkt bei Herrn Koller, damit man sich unmit­telbar mit diesem Problem beschäftigt. Das ist eine Qualität, die es nicht überall gibt. Das andere, was uns unmit­telbar wirklich hilft, ist die direkte Unter­stützung der Familien. Wenn zu Hause ein Kind Krebs hat und man ein Wohnzimmer renovieren oder ein Schlaf­zimmer umbauen muss, damit dort die hygie­ni­schen Umstände passen, dann gibt es unmit­telbare Hilfe, die unschätzbar ist. Und dann finan­ziert in unserem Fall die Eltern­in­itiative auch einige Mitar­beiter des psycho­so­zialen Teams: die Spiel­the­ra­peutin, Teile der Psycho­lo­gen­stellen und die Klinik-Clowns.

Wäre nicht die psycho­lo­gische Betreuung eine medizi­nische Maßnahme, die man auch dem Träger zumuten könnte? Mittler­weile ist ja bekannt, dass psychische Gesundheit nicht unerheblich zur Genesung beiträgt, gerade bei Kindern. Was meinen Sie dazu?

Das ist richtig und selbst­ver­ständlich gibt es dazu konti­nu­ierlich Gespräche mit den Kosten­trägern. Wir betonen, dass die Eltern­in­itiative seit Jahren Stellen für Psycho­logie bezahlt, die eigentlich Träger­aufgabe wäre. Wir betonen ununter­brochen, dass Kinder­me­dizin sich von der Erwach­se­nen­me­dizin entscheidend unter­scheidet und einen höheren Inves­ti­ti­ons­bedarf hat. Leider ist dafür in unserem Gesund­heits­system zu wenig Geld, das muss man offen und ehrlich sagen. Es gibt auch einen sogenannten GBA-Beschluss zur Behandlung von Kindern und Jugend­lichen mit Krebs generell (GBA: ein beratendes Gremium für die Regierung, das Kriterien festlegt). Da steht ganz klar drin, dass wir nur dann abrechnen dürfen, wenn bestimmte Quali­täts­merkmale vorge­halten werden. Dazu gehört die psycho­so­ziale Versorgung der Kinder und Jugend­lichen. Und genau hier ist das Problem einer Diskrepanz zwischen realen Kosten und theore­ti­scher Finanzierung.

Wie lautet denn die Antwort, wenn Sie auf solche Missstände hinweisen?

Das ist ganz unter­schiedlich. Manchmal ist es so, dass es eine große Akzeptanz für unsere Sicht­weise gibt. Aber leider werden medizi­nische Leistungen im Krankenhaus insgesamt zu gering vergütet. Wir haben ein insgesamt defizi­täres und mittler­weile leider auch ein merkan­tiles System. Gerade die sogenannte „sprechende Medizin“ – wie Psycho­logie oder Kinder- und Jugend­me­dizin – ist fast schmerzhaft unter­fi­nan­ziert. Man vergisst dabei komplett, dass ja auch jedes Mal das „System Familie“ erkrankt, nicht nur das einzelne Kind!

„Es ist für uns unerlässlich, in perma­nentem Austausch mit Menschen zu sein, die eine solche Krankheit durchlebt haben.“ Prof. Dr. Dr. Michael Frühwald im Gespräch mit Iris Steiner

Welche Beispiele, welche gemeinsame Projekte mit der Elternitiative fallen Ihnen spontan ein?

Da gibt es eine ganze Reihe von Projekten, unser „Markt­platz“ auf der Station etwa – übrigens etwas, das nur wenige Stationen in Deutschland haben. Es ist ein Begeg­nungsraum für Familien, ein Raum für Therapien und für Schule. Da sehe ich oft Lehrer mit den Kindern sitzen und Unter­richt abhalten. Ich sehe aber auch die Sport­the­ra­peutin, wie sie mit dem Jungen, der unbedingt mal raus möchte, Fußball spielt, wo sie Geschick­lich­keits­spiele macht mit dem Mädchen, das gerade gegen eine Hirntu­mor­er­krankung kämpft. Und dann gibt es noch ganz konkrete Dinge wie Unter­stützung bei medizi­ni­schem Bedarf. Wir werden von der Eltern­in­itiative sehr unter­stützt, wenn wir sagen und begründen, dass wir dringend ein bestimmtes Gerät brauchen, das jetzt gerade im Inves­ti­ti­ons­budget des Hauses nicht drin ist.

Was auch bereits die Brücke zur Forschung bildet: Wir haben den Auftrag, das Leben der Kinder und Jugend­lichen besser zu machen, nicht nur indem wir die medizi­nische Versorgung so gut wie möglich gestalten, sondern auch, indem wir neue Erkennt­nisse gewinnen, um die Erkran­kungen so gut wie möglich zu verstehen. Wenn wir neue Ansatz­punkte finden, können wir eine Krebs­er­krankung wieder ein Stück besser attackieren.

Wir haben im Verein auch einige Eltern ehema­liger krebs­er­krankter Kinder. Gibt es eine besondere Verbindung zu Ihnen oder ist eine besondere Art von Kommu­ni­kation möglich, wenn man mit solchen Betrof­fenen sprechen kann?

Es ist sehr wichtig, dass sich Menschen engagieren, die das durchlebt haben. Die wissen, wie es ist, Angst um das Leben des Kindes zu haben, wie es ist, Angst vor der Zukunft zu haben und was den Kindern auf Station Mut machen kann. Die Betei­ligung der Eltern ist ja nicht nur in den Eltern­ver­einen mittler­weile fest etabliert, sondern auch wir in der Klinik integrieren Eltern und überle­bende Patien­tinnen und Patienten in die Forschung. Es gibt in unserem „Bayeri­schen Zentrum für Krebs­for­schung“ und im „Kinderon­ko­lo­gi­schen Netzwerk Bayern“ Vertreter aus Eltern­ver­einen und Überle­bende, die uns korri­gieren, wenn wir uns um die „falschen“ Sachen kümmern. Was einem Forscher wichtig ist, muss nicht unbedingt die höchste Bedeutung für Familien und Überle­bende haben. Dieser Spiegel, den man uns hier vorhält, ist unheimlich wichtig.

Vereine wie der unsere organi­sieren in regel­mä­ßigen Abständen öffent­liche Stamm­zel­len­spenden-Aktionen. Etwas, das nicht so einfach zu erklären ist, wie etwa eine Blutspende. Können Sie helfen?

Die sogenannte „zelluläre Immun­the­rapie“ besteht darin, dass man von einem Fremd­spender Blutstamm­zellen entnimmt und diese beispiels­weise nach einer hochdo­sierten Chemo­the­rapie dem Patienten injiziert. Diese Blutstamm­zellen – das fremde Knochenmark, das fremde Immun­system – verleihen der Therapie eine zusätz­liche Qualität. Wir müssen ja zunächst dem Körper leider Gifte verab­reichen, um das weitere Schnell­teilen der Krebs­zellen zu verhindern. Im Gegenzug braucht man – einfach formu­liert – „Unter­stützung“: ein Immun­system, das immer dann, wenn wieder eine böse Zelle entsteht, dabei hilft, diese wegzu­schaffen. Das kann nur fremdes Knochenmark tun und deshalb ist die Blutstamm­zelle so wichtig. Übrigens kann jeder gesunde Mensch bis etwa Mitte 50 Stamm­zellen spenden.

Was wünschen Sie sich für die Zukunft der Zusam­men­arbeit, welche Schwer­punkte sehen Sie für die nächsten Jahre in der gemein­samen Arbeit?

Zuerst bin ich einfach extrem glücklich, wie gut die Zusam­men­arbeit gelingt – eine komplett reibungs­freie, sehr angenehme, freund­liche, wertschät­zende und zum Teil auch korri­gie­rende Zusam­men­arbeit. Manchmal wendet man sich einfach in seiner Not an die Eltern­in­itiative – und dann ist es gut, wenn einen jemand darauf hinweist, dass es für das eine oder andere Problem auch eine andere Lösung geben müsste.

Mit dem Wandel von einer kommu­nalen Klinik zu einer Univer­si­täts­klinik haben sich Ihre Aufgaben sicher geändert …?

Wir haben heute Aufgaben in drei Gebieten: Lehre, Forschung und Kranken­ver­sorgung. Für die Lehre kann ich mir vorstellen, dass wir in Zukunft Studie­renden beibringen, wie eine Chemo­the­rapie oder bestimmte kleine Eingriffe funktio­nieren. Dafür brauchen wir die Eltern­in­itiative nicht zwingend. Eher vielleicht dann, wenn es darum geht, ein Modell für eine Knochenmark-Punktion zu finan­zieren, das im Budget nicht enthalten ist.

Für unsere Forschungs­arbeit konnten wir in den letzten Jahren zunehmend Fachper­sonal zu uns holen. Frau Prof. Kuhlen, eine führende Forscherin, die sich haupt­sächlich mit Tumoren der Drüsen beschäftigt. Oder auch Prof. Johann, der bei uns moleku­lar­bio­lo­gisch forscht, um die genaue Zusam­men­setzung eines Tumors sehen zu können und wie er mit dem Immun­system zusam­men­spielt. Dadurch verstehen wir besser die Wachs­tums­me­cha­nismen von Tumoren und hoffentlich auch, wie wir sie besser behandeln können. Ich wünsche mir für die Zukunft sehr, dass wir zusammen mit der Eltern­in­itiative noch viele Forschungs­pro­jekte durch­führen können – solche, die die Augsburger Kinder­krebs­for­schung maßgeblich voranbringen.